Ich weiß nicht viel über die Welt. Ich habe noch nicht viel gesehen, noch nicht viel erlebt, ich weiß kaum etwas über all das dort draußen. Aber das macht nichts. Ich weiß, dass du schön bist. Ja genau du, so wie du jetzt gerade bist. In deinem viel zu großen Pullover und dem zerzausten Haar das völlig wirr zu allen Seiten absteht, mit deiner ungeschminkten Haut, deinen hellen Augen und dem leicht verschmierten Rand um deine Wimpern. Mit deinem hautengen Top und der perfekten Figur, mit dem makellosen Teint und den ungeschminkten langen Wimpern, mit dem schrägen Pony oder dem perfekten Zopf, mit dem kleinen Pickel am Kinn und den Sommersprossen, die du überhaupt nicht magst, du bist schön. Es ist völlig egal in welcher Größe deine letzte Jeans war, ob deine Haarfarbe zu deinem Typ passt oder ob deine Haut viel zu blass ist. Es ist nicht von Bedeutung ob du die perfekte Bikinifigur hast oder ein fotogenes Lächeln, es hat keinen besonders hohen Wert wie krumm dein großer Zeh ist und wie viel Schminke du aufträgst. Das ist alles völlig egal. Du bist schön, genau so wie du bist, wenn du du selbst bist. Im Leben ist das so. Wir treiben alle auf einem Meer, wir sind alle Ertrinkende in den Fluten, Rettende in sanften Gewässern. Auf offener See überlebt man nur, wenn man versucht man selbst zu bleiben, das ist doch das einzige was man wirklich können sollte. Was man am Besten kann. Dort draußen gibt es an jeder Ecke jemand der dir sagen wird, dass du das besser kannst, dass du schöner sein kannst, noch heller und noch größer, dass du zu klein bist, so wie du jetzt bist oder zu unförmig für die Lücke, in die du hineinpassen sollst. Dort draußen gibt es an jeder Ecke jemanden, der zu jeder Zeit versucht dich zu allen anderen zu machen. Diese Menschen wird es überall geben, überall lauern sie und warten darauf, dass du einen Fehler machst, dass du anfängst so sein zu wollen wie sie. Dass du aufhörst du selbst zu sein, das Schöne was du bist. Denn weißt du, alles an dir ist schön. Sogar dein dunkelstes Geheimnis, dein schwerstes Laster, deine schwärzeste Seite macht dich schön, jeder Zweifel und jede Angst. Das klingt absurd, das ist es auch, aber letzten Endes ist es genau das. Es macht dich zu etwas unverwechselbarem, zu etwas Einzigartigem und so etwas ist immer schön. Es wird immer jemanden geben, der dich in die Knie zwingt, der das Licht ausmacht und versucht deine Farben zu übermalen, es wird immer jemand geben, der versucht deine Konturen zu verwischen, nachzuziehen und zu versetzen, das wird es immer. Du bist wundervoll, so wie du bist. Mit deinem schiefen Lächeln und den spröden Locken, mit den leeren Augen, die ein bisschen zu nah beieinander stehen und dem bisschen Arroganz in deiner Stimme. Wenn du verletzlich wirst und deine Seele ungeschützt auf dem dreckigen Boden liegt, wenn du zerbrichst und wenn du fällst, die Art wie du auf dem Boden aufprallst und das Blitzen in deinen Augen, wenn du verlierst. Jeder Makel in der Fassade und jeder Schatten hinter hohen Mauern, das unsichtbare Blut, das an deinen Fingern klebt und die Fetzen deiner selbst, die um dich herum verstreut sind, das macht dich schön. Du wirst das nicht glauben, wenn du in den Spiegel siehst und dein traumhaft schönes Kleid vom letzten Sommer nicht mehr passt, auch nicht wenn du mitten in der Nacht aufwachst und nicht mehr weißt wo du bist, wer du bist, wenn du dir in die Augen siehst, eigentlich fast nie. Die Momente, in denen du dich wirklich schön findest, sind selten. Das waren sie immer und vielleicht werden sie es immer sein. Aber weißt du, es kommt nicht darauf an wie sich das Licht verändert, wenn du einen Raum betrittst, wie viele Blicke dich treffen, dich umschmeicheln und wie viele dich durchbohren. Es ist völlig egal, alles was sie sagen, jeder dort draußen. Es zählt nur, dass du auf dich vertraust, dass du den Mut hast genau das zu sein, was du bist. Zähl bis drei und sag dir, dass du schön bist. Zähl bis drei und dann renn los. Zähl bis drei und dann, dann fang an zu leben.
2011